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Monte Tullen: Im verborgenen Herzen der Eores-Dolomiten

05 August 2025

Der Weg beginnt im Wald zwischen dichten Fichten und wird von einem sanften Licht begleitet, das an einem wolkenverhangenen Morgen durch die Äste dringt. Der Anstieg ist stetig, der Boden unregelmäßig. Wurzeln ragen wie stille Hindernisse hervor und nasse Steine erfordern Aufmerksamkeit. Wir befinden uns in der Untergruppe der Eores-Geisler, deren höchster Gipfel der Monte Tullen ist. Je höher wir steigen, desto lichter wird der Wald. Auch die Landschaft öffnet sich, jedoch nur zurückhaltend. Die Geröllfelder der versteckten Eores-Geisler wirken wie bedrohliche Felssammlungen, die von Wind und Zeit geformt wurden. Stille umgibt uns. Der Atem wird kürzer, die Beine schwerer. Jetzt beginnt die eigentliche Bergtour: Der Weg verengt sich und wird ausgesetzter. Wir greifen nach dem Stahlseil, das uns beim schwierigsten Abschnitt den Aufstieg sichert.

Oben, über den grünen Hängen, die den Wald überragen, erscheinen die Villnößtaler Geisler mit ihren messerscharfen Zacken wie aus einem vertikalen Traum. Sie ziehen sich von Westen nach Osten über den Horizont. Der Weg führt nun am Hang entlang, mit steilen Abhängen zur Rechten, während der Wind zunimmt. Wir erreichen den eindrucksvollsten Teil des Pfades: Helle Dolomitwände ragen über die Almwiesen empor. Helle Felsen säumen den Pfad, bevor das Geröllfeld beginnt – ein Meer aus Steinen, das unter den Bergschuhen leise flüstert. Hier geht man langsam und sucht mehr das Gleichgewicht als das Tempo.

Der letzte Abschnitt ist der anspruchsvollste. Es geht über einen ausgesetzten Grat und der Pfad wird zunehmend schmaler und steiniger. Die Spur verliert sich und wir müssen die Hände benutzen, um schwierige Stellen zu überwinden. Wir steigen über Felsen und kaum sichtbare Tritte, und der Gipfel scheint immer weiter weg. Das Herz schlägt schneller – nicht nur wegen der Anstrengung, sondern auch wegen der leisen Adrenalinschübe, die dieser Ort auslöst, der sich nicht leicht preisgibt. Zur Rechten fällt das Gelände steil ab. Der Wind peitscht dunkle Wolken vorbei und bringt eine spürbare Spannung mit sich. Jeder Schritt verlangt Ruhe und Konzentration. Es ist kein langer Abschnitt, aber jener, der vom Gipfelsilenz trennt.

Und plötzlich öffnet sich das Panorama vom Gipfel des 2.655 m hohen Monte Tullen. Links erhebt sich der Peitlerkofel, gewaltig und alleinstehend wie ein Wächter der Dolomiten. Rechts liegen die Villnösser Geisler. Weiter entfernt liegen die Gipfel der Puez-Gruppe und am Horizont ist die Fanes-Gruppe klar zu erkennen.

Im Norden erkennt man die Gipfel der Plose und noch weiter entfernt die Sextner Dolomiten. Im Südosten zeigen sich die markanten Silhouetten des Monte Pelmo und der Civetta. Oben, neben dem Gipfelkreuz, zittern die Beine Leicht, nicht nur vor Erschöpfung. Die Anspannung löst sich, der Geist wird frei. Der Wind trägt den Duft und die Stille des Gesteins herbei. Um uns herum ragen die Geisler-Zacken wie steinerne Nadeln empor. Und dort oben geschieht etwas Einmaliges, denn in diesem Moment, an diesem Ort, fehlt nichts mehr.

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